'Fitna' von Geert Wilders: Appeasement des Westens
Wie selbstverständlich das Appeasement des Westens geworden ist, zeigen die Reaktionen auf "Fitna" von Geert Wilders. Dominierend in den Begründungen für die profilierte Ablehnung war die Furcht vor Ausschreitungen und Terror. Nach Morddrohungen, mit denen Wilders wie Hirsi Ali, Nasreen und Rushdie täglich leben muss, löschte die Filmplattform Liveleak den Film. Auf Youtube ist er nach wie vor zu finden. An gleichem Ort lassen sich täglich neue Kommentare lesen, in denen ein islamischer europäischer Gottesstaat gefordert wird oder in denen Weltkriege auf Juden zurückgeführt werden.
Wilders Film ist zunächst darauf angelegt, Widersprüche innerhalb des Islams aufzuzeigen und zu provozieren. Das hat er erfolgreich geschafft. Die platterdings freche Bigotterie des Islamismus verleitete zu Reaktionen wie der, dass die Gleichsetzung von Islam und Gewalt unzulässig sei und den Islam beleidige. Über weite Teile adaptiert 'Fitna' jedoch islamistische Propagandavideos: Gegen jene finden bekanntermaßen keine Massendemonstrationen in islamischen Gesellschaften statt.
Allerdings verkehrt sich Wilders Anliegen ins Gegenteil. Seine liberale Note, die er in expliziter Betonung der Schwulen- und Judenfeindlichkeit der Islamisten schärft, machen ihn zunächst sehr sympathisch: Von weiten Teilen dessen, was man in Deutschland unter Rechtspopulismus versteht, würde man dieses Beharren auf noch längst nicht eingelösten emanzipatorischen Fortschritten der Demokratien vergeblich suchen - Homosexualität und Frauenrechte sind hierzulande Anathema unter Rechten.
Der Umschlag ins Nationalliberale erfolgt in kleinen, sehr kurzen Passagen: Dem Abhub auf Bevölkerungsanteile, die darin enthaltene Homogenisierung der unter Islam befassten Strömungen und zuletzt das üble Bild der Karikatur Westergards, dem Wilders die Bombe unter dem Turban Mohammeds explodieren lässt - ein impliziter Aufruf zum gewaltsamen, paramilitärischen Aufruhr gegen die zuvor als Versinnbildlichungen des Fanatismus präsentierten Moscheen.
In Annahme eines unmöglichen Absehens davon ist Wilders eine bemerkenswerte Cointenance zuzugestehen: Er versteht 'Fitna' als Aufforderung der Muslime, die fraglichen Suren und ihre Folgen zu diskutieren. Mit dieser Infragestellung von Suren würde allerdings der stabilisierende literalistische Kern des Islam selbst fallen - was eine Liberalisierung des Islam an sich möglich machen könnte. Hierin behält Wilders recht in seiner Pauschalisierung: Den Islam als gewaltfördernd zu bezeichnen. Zugleich verschweigt er den Grund: Nicht, dass Suren zu Gewalt aufrufen ist ursächlich für islamistische Gewalt, sondern dass der orthodoxe Islam einen Literalismus pflegt, der jegliche Inhalte der Kritik enthebt und für zeitlos erklärt.
Diese Leugnung von Geschichtlichkeit macht den Islam so attraktiv und anschlussfähig an die bürgerliche Ideologie, die nach Marx nur zu gern ihre gewaltsamen Vorbedingungen vergessen will. Insofern ist das zur Norm gewordene Appeasement erklärbar. Nur ungern möchte man auf Seiten der Bürgerlichen daran erinnert werden, dass die demokratische Freiheit von je mit Gewalt erstritten wurde und schlimmer noch: mehrfach selbst in barbarische Gewalt umschlug. In instinktiver Kenntnis von dieser Möglichkeit des Umschlags wählt man Agonie als vermeintliche Alternative - weil man zu wirklich konsequenter Aufklärung nicht in der Lage ist und noch insgeheim mit dem drohenden und täglich vollzogenen Umschlag sich gemein macht. Darin liegt ein Großteil der Bedrohung, die Wilder gänzlich dem Islam zuschlägt, womit er dem sadistischen Größenwahn der Islamisten einen Dienst und sich selbst einen Bärendienst erweist. Dennoch ist Wilders Film vorerst zu begrüßen: Er offenbart die Apathie des Westens. Über den Islam selbst vermag er im Aufsagen einer Handvoll Suren wenig Substantielles auszusagen. Nicht zuletzt war Wilders selbst überrascht vom Stillhalten eines so großen Teils der 54 Millionen Muslime in Europa.
Nemesis
(30.3.08 16:22)
Stillhalten der Muslime? Naja die haben auch wichtigeres zu tun. Ich denke solche Filme reißen keinen mehr vom Hocker, ich denke sogar der islamistisch-extremistische Teil der Muslime dürfte sich daran gewöhnt haben. Vielleicht ist es ja auch gut so.
Deine These über den Literalismus ist in der Tat interessant, fraglich aber da ob eine so direkte kausale Beziehung zwischen Gewalt und Literalismus gibt.
Übrigens ist die Exegese des sunnitischen Islams nicht den Weg des Literalismus gegangen. Der strenge Literalismus eines Ibn Hazm ist eine Episode gewesen. Wobei ich hier erwähnen muss, das der wahhabitische Islam sich der hermeneutischen Tradition der islamischen Exegese entledigt hat und ganz erfolgreich auf der Welt propagiert, mit sehr gefährlichen Konsequenzen. Insofern ist der Literalismus wieder im Aufkommen.
So gesehen macht der Literalismus nicht den "Wesen" des Islam aus, wenn man das Wort überhaupt gebrauchen kann. Aber es besteht die Gefahr, das es zu seinem "Wesen" wird.
Falls es dich interessiert, es gibt bald ein Symposium,das sich mit der Thematik der Koranexegese, Kritik und Hermeneutik beschäftigt:
xconroy
(30.3.08 17:55)
Wilders lebt offenbar in dem gleichen Paralleluniversum wie die ulkigen Hanseln von "politicallyincorrect": da er glaubt, daß die Teilmenge der islamistischen Extremisten mit der Gesamtmenge aller Moslems identisch ist, muß er ganz zwangsläufig baß erstaunt sein, daß die ganzen normalen Leute (die es ja gerüchteweise auch innerhalb der Menschengruppe moslemischen Glaubens geben soll und die,surprise surprise, gar nicht mal so wenige sind), die bestenfalls kein Schweinefleisch essen und ab und an den Moscheebesuch als sozialen Event zelebrieren, sich überhaupt nicht um sein Filmchen kümmern.
Die meisten Mitglieder des christlichen Abendlandes (wieviele % der Deutschen bezeichnen sich noch mal selber als irgendwie gläubig? Gar nicht so wenige, oder?) würde es wohl auch einen feuchten Furz interessieren, wenn ein Politclown in Machallajallabad/Weitweggistan einen Film über christliche "Lebensschützer" in den USA und deren gewalttätige Aktionen drehen würde.
Daß Extremisten immer von allen anderen erwarten, daß sie auch Extremisten sind, das macht wahrscheinlich den typischen Charakterzug des Extremisten aus ;-)
dissi
/ Website
(30.3.08 19:11)
"dem Wilders die Bombe unter dem Turban Mohammeds explodieren lässt - ein impliziter Aufruf zum gewaltsamen, paramilitärischen Aufruhr"
das ist glaub ich eine fehlinterpretation. sowohl westergaard als auch der wilders dürften die karikatur als ein sinnbild für eine tickende zeitbombe gesehen haben, die im islam(ismus) selbst begründet liegt und nicht in einem "paramilitärischen" mob der bürgerwehr, oder ?
Nichtidentisches
/ Website
(30.3.08 19:55)
Kann sein. Ich las diesen Inhalt hinein. Ein lustvolles Explodierenlassen war auf alle Fälle dabei.
Zu Nemesis: Der Koran ist literalistisch angelegt, die Bibel nicht. Insofern sind die Extremisten durchaus im Recht, wenn sie behaupten, die wahren Muslime zu sein. Erstes Opfer der Islamisten sind allerdings immer die liberalen Muslime. Und dafür wehren die sich meines Erachtens noch zu wenig gegen die von xconroy völlig vernachlässigte durchgreifende Radikalisierung ganzer muslimischer Massen. Was sich in Umfrageergebnissen niederschlägt. Man frage nur in den angeblich so Weihnachtsmuslimischen europäischen islamischen Communities nach, ob sie Bin Laden toll finden oder die Juden böse.
Interessanterweise ist auch Europa neben Saudi Arabien und Afghanistan/Waziristan eher der Kern islamistischer Ideologieproduktion, in islamischen Staaten wie Marokko, Tunesien oder Ägypten hat man schon lange begriffen, dass der radikale Islam jeglicher Menschlichkeit Feind ist und jeden Staat in seinen Grundfesten angreift.